Zu einer Politik des Miteinanders beitragen

Zu einer Politik des Miteinanders beitragen

Im Stadtrat führte die Beteiligung der EVP am Mitte-rechts-Bündnis «Meh Farb für Bärn» (vormals «Gemeinsam für Bern») für die Gemeinderatswahlen zu Turbulenzen und zu einem Fraktionswechsel.

Das Mitmachen der EVP beim Mitte-Rechts-Bündnis «Meh Farb für Bärn» hat einigen Staub aufgewirbelt und zu eurem Rauswurf aus der langjährigen Fraktion mit der Grünen Freien Liste (GFL) geführt. Wie habt ihr diese Turbulenzen erlebt? 
Bettina: Es war eine turbulente Zeit, die viel Energie und Zeit gekostet hat. Doch ich habe noch nie in meiner politischen Tätigkeit so viele direkte Feedbacks erhalten, und der grosse Teil war glücklicherweise verständnisvoll oder positiv.
Debora: Obwohl ich keine so grosse persönliche Betroffenheit habe, hat es mich geschmerzt, dass die Zusammenarbeit mit der GFL nach 25 Jahren zu Ende ging. Es ist eine lange Zeit, in der wir als EVP konstruktiv mit der GFL zusammengearbeitet haben.

Ihr konntet anderweitig Anschluss finden und seid nun in einer Fraktion mit den Grünliberalen (GLP). Wie fühlt ihr euch dort?
Bettina: Wir wurden sehr offen und herzlich aufgenommen und es ist spannend, neue Leute besser kennenzulernen. Bezüglich der konkreten Zusammenarbeit sind wir noch am Abtasten, wie stark wir uns als Junior-Partner in die Diskussionen einbringen können. Mich freut es, dass die Fraktion gut geführt ist und Gemeinschaftszeit geschätzt wird.
Debora: Es sind viele tolle und engagierte Leute in dieser Fraktion. Es ist spannend, immer mehr herauszufinden, wo wir ähnlich ticken und wo sich dann eben auch EVP-Eigenheiten zeigen und wie wir diese einbringen können.

Debora, du hast dir den Einstieg als Stadträtin wohl weniger turbulent vorgestellt. Wie gut gelang es dir, so im Rat Fuss zu fassen? 
Debora: Es war in der Tat anders als geplant. Nachdem ich mich ein bisschen an die Fraktionsarbeit gewohnt hatte, kam sie schon wieder zu einem Ende. Aber diese Turbulenzen haben auch geholfen, dass ich relativ rasch Leute aus verschiedenen Fraktionen kennenlernen konnte. Ich bin sehr dankbar für die jahrelange Erfahrung von Bettina und löchere sie mit Fragen, um mich möglichst gut orientieren zu können.

Bettina, wie ist es, nach elf Jahren im Stadtrat innerhalb der GFL/EVP-Fraktion plötzlich in einer anderer Fraktion mitzuwirken? Gingen durch den Wechsel Freundschaften im Stadtrat in die Brüche?
Bettina: Es war vor allem im ersten Moment auf der menschlichen Ebene unangenehm, aber erfreulicherweise haben viele langjährige Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen der GFL die Trennung relativ gut überstanden. Wir sind in der Sitzordnung zum Glück nur eine Reihe vorgerückt und somit noch ganz nahe bei der GFL.

Haben der Fraktionswechsel und das Bündnis für die Gemeinderatswahlen Auswirkungen auf die Politik der EVP im Stadtrat?
Bettina: Grundsätzlich ändern wir unsere Haltung nicht und werden uns bei wichtigen Fragen auch von der GLP abgrenzen. Innerhalb der Parteien des neuen Bündnisses werden wir uns bei konkreten Fragen wohl auch weiterhin nicht so oft einig sein, wie sich in den letzten Sitzungen bereits gezeigt hat. Somit ändert sich nicht viel an unserer Politik.

Debora, konntest du im Stadtrat bereits einzelne Akzente setzten – etwa aufgrund deiner Tätigkeit als soziale Unternehmerin? 
Debora: Soziales Unternehmertum ist mir ein Anliegen und ich habe erste Schritte in die Richtung gemacht. Aber dann wurden in einem Medienartikel über die Workshops von Baba Academy Stadtratsmitglieder aufgeführt, die bereits einmal einen Vorstoss zu der Finanzierung von Baba News gemacht haben. Ich habe mit ihnen Kontakt aufgenommen, und wir haben eine Kleine Anfrage zu den Workshops gemacht. Bald darauf kam das Thema Antisemitismus an Berner Schulen auf. Bettina und ich haben mit der gleichen Gruppe zwei Vorstösse lanciert, die extrem breit mitgetragen wurden. Es war sehr spannend, direkt Einblick in die interfraktionelle Zusammen­arbeit zu bekommen.

Bettina, wie blickst du als EVP-Kandidatin dem Gemeinderats-Wahlkampf entgegen? 
Bettina: Der Wahlkampf hat ja bereits begonnen und ich nehme bereits regelmässig Medientermine wahr. Einerseits freut es mich, die EVP so mehr ins Gespräch zu bringen und spannende Erfahrungen sammeln zu können. Doch es ist auch eine Belastung – zeitlich wie persönlich – weil Äusserungen in den Medien auch zu kritischen Reaktionen führen können.

Was wünscht ihr euch für die Gemeindewahlen im November?
Bettina: Ich wünsche mir, dass die Wahlen auf der persönlichen Ebene nicht zu viel Geschirr zerschlagen, denn danach müssen der neu gewählte Gemeinderat und Stadtrat konstruktiv zusammenarbeiten können. Zudem wünsche ich mir eine Stärkung der politischen Mitte.
Debora: Ich wünsche mir, dass die Wahlen das politische Gleichgewicht wieder etwas herstellen und wir als EVP ganz viel zu einer Politik des Miteinanders und Brückenbauens beitragen können.

Interview: Christof Erne

 

Interview als PDF in der “EVP-Info” 2/2024